Mediale Hetzkampagne gegen baba news
baba news richtet sein Augenmerk auf rassistische Strukturen und Dynamiken innerhalb unserer Gesellschaft. Nicht allen passt das. Wir wurden deshalb bereits kritisiert oder kontaktiert (z.B. vom stv. Chefredaktor von 20 Minuten, Gaudenz Looser). Bisher konnten uns diese Versuche, Druck auf unsere Berichterstattung auszuüben, allerdings nicht viel anhaben, denn in der öffentlichen Wahrnehmung galten wir als «Vorzeigeausländer*innen», die «wichtige Integrationsarbeit leisten».
Dies hat sich seit unserer Kritik an der Medienberichterstattung zum Thema Gaza geändert – wir haben uns durch die Einmischung in den medialen Diskurs, den wir als sehr einseitig erachten, angreifbar gemacht. Die mediale Hetzkampagne, die daraufhin gegen uns gefahren wurde, hat jedoch in ihrer Intensität vieles gesprengt, was wir für möglich erachtet hätten. Denn auch zu baba news wurde sehr einseitig berichtet – immer wieder wurden auch Fake News über uns verbreitet.
Fahrt nahm alles mit einem Artikel von 20 Minuten («Pro-Palästina-Beiträge – Bund geht auf Distanz zu Migranten-Magazin») auf, der schon im Titel eine krasse Verzerrung der Fakten darstellt, aber dazu später mehr. Hintergrund des Artikels: baba news hatte den Podcast «From System with Love» veröffentlicht, der den israelischen Siedlerkolonialismus und die einseitige Medienberichterstattung zu Israels Gaza-Offensive zum Thema machte.
Im Artikel von 20 Minuten kamen (nicht überraschend) Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, wie auch (eher überraschend) die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus zu Wort, die den Podcast als «einseitig und voreingenommen» bezeichnete (und in deren 14-köpfigem Gremium auch wieder Jonathan Kreutner sitzt). WOZ-Redaktor Renato Beck kritisiert in einem Kommentar zurecht, dass die EKR «bislang nicht als Beobachterin der Schweizer Medien aufgefallen war». Anscheinend war es tatsächlich ein einmaliger Abstecher der EKR in die Medienkritik – sie sollte sich unseres Wissens auch später nicht zur Berichterstattung äussern, trotz haufenweise rassistischer Artikel, die in den letzten Monaten insbesondere gegen Musliminnen und Muslime publiziert worden sind.
Weiter hakt 20 Minuten im besagten Artikel beim Staatssekretariat für Migration nach, welches eine Videoreihe von baba news finanziert hatte. Im Artikel von 20 Minuten ist Folgendes zu lesen:
Interessant ist hier, dass der vom SEM verwendete Begriff «irreführend» im 20 Minuten-Artikel nicht weiter ausgeführt wird – obwohl die Passage sogar den Titel des Artikels bestimmt. Was genau ist irreführend daran, dass das SEM nicht als Partner auf der baba-news-Website aufgeführt werden will? Wer wird durch die Nennung des SEM in welcher Hinsicht in die Irre geführt?
Bei einem Telefonat mit dem SEM wurde klar, dass vor allem der 20 Minuten-Artikel von Claudia Blum als irreführend bezeichnet werden kann. Es stimmt zwar, dass das SEM nicht mehr auf unserer «Freunde und Partner»-Seite aufgeführt werden möchte – nicht aber wegen unseres Podcasts zur israelischen Siedlungspolitik sondern wegen formeller Bestimmungen.
So hatte das SEM 2022 und 2023 eine Videoreihe von baba news finanziell unterstützt. In der gemeinsamen Vereinbarung war damals festgehalten worden, dass das SEM als Bundesstelle nur politisch neutrale Inhalte finanziert. Somit wurden vom SEM nur baba-Videos ohne politischen Charakter unterstützt. Eine allgemeine Auflistung des SEM auf unserer Website (wir hatten einfach alle Logos unserer Unterstützer*innen auf unserer Website aufgeführt) ohne konkrete Angabe dazu, welche nicht-politischen Inhalte spezifisch vom SEM finanziert worden sind, war gemäss Daniel Bach, Pressesprecher des SEM, «irreführend». Es handelte sich also um einen Formfehler unsererseits, den wir behoben haben. baba news steht es aber gemäss SEM wie bisher zu, auch weiterhin Finanzierungsanträge zu stellen.
Von einer «Distanzierung des Bundes», wie 20 Minuten titelte («Bund geht auf Distanz zu Migranten-Magazin») kann also nicht die Rede sein, da weder von Seiten des SEM eine Distanzierung stattfand, noch von Seiten der EKR – zumal zwischen baba news und der EKR gar keine Zusammenarbeit in irgendeiner Art bestand, so dass eine Distanzierung von Vorhinein ausgeschlossen werden kann.
Durch das Auslassen dieser Information bzw. die Falschdarstellung im Titel wurde bereits im Oktober 2023 von 20 Minuten bewusst das Narrativ gefüttert, dass es sich bei baba news um eine shady Redaktion handle, vor der sich sogar der Bund in Acht nimmt. Der Begriff «Antisemitismus» wurde im Zusammenhang mit baba news zwar noch nicht verwendet, mit der Anfrage bei der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus jedoch deutlich impliziert, dass der von baba news produzierte Podcast als rassistisch bzw. antisemitisch gewertet werden könne.
baba news hat diesbezüglich Beschwerde beim Presserat eingereicht. Der Antrag ist noch offen.
Dass 20 Minuten einen Feldzug gegen baba news zu führen scheint, ist nicht weiter erstaunlich, zumal Albina Muhtari, Gründerin und Chefredaktorin von baba news, zuvor bei 20 Minuten tätig war und mehrfach (u.A. beim SRF Club) rassistische Strukturen innerhalb der Redaktion von 20 Minuten angeprangert hat. Wir sehen die unverhältnismässigen Angriffe auf baba news als einen Versuch, an unserer Glaubwürdigkeit zu sägen, und Medienkritik, wie sie regelmässig auf baba news erscheint, zu delegitimieren.
Kritisch (wenn auch nicht erstaunlich) ist, dass die Darstellung von 20 Minuten von Dutzenden weiteren (Tamedia-)Zeitungen sowie Medienagenturen unhinterfragt übernommen und weiterverarbeitet wurde. Beispielsweise im Hinblick auf die Workshops der baba academy, die gemäss Der Bund für «Kritik sorgten» – während die Kritik von einem einzigen Vater kam, und zwar aufgrund der Berichterstattung und noch bevor der erste Workshop an der betreffenden Schule überhaupt erst stattfinden konnte.
Die mediale Hetzkampagne hatte verschiedene Folgen für uns: Hardliner*innen wurden beflügelt und Partner*innen eingeschüchtert.
So rief uns nach der Publikation des 20 Minuten-Artikels ein wütender Beamter des Kantons Bern an, und strich uns via Telefon Geld für ein bereits zugesprochenes Projekt – was erneut von einer Medienkampagne begleitet wurde. Als uns der Kanton Monate später das Geld dann doch noch auszahlte (den Verantwortlichen war nach unserer Beschwerde wohl klar geworden, dass die rechtlichen Grundlagen für einen solchen Entscheid fehlten), war die Berichterstattung hingegen nicht sehr umfangreich. Hier stand insbesondere die banale Frage «was baba news mit den 4’500 Franken tun» wolle im Vordergrund, anstatt sich damit zu befassen, wer beim Kanton Bern für den Fehlentscheid verantwortlich gewesen war, bzw. wie und weshalb es zu einer Korrektur des Entscheides gekommen war.
Bei der Akte «Kanton Bern» handelt es sich um die Spitze des Eisberges. In der Tat spielte sich der weitaus grössere Schaden wohl eher im Hintergrund ab, indem israelfreundliche Institutionen und Privatpersonen unsere Partner*innen kontaktierten (20 Minuten hatte einen Screenshot der Partner*innen-Seite auf seiner Seite publiziert) und diese mit Anfragen unter Druck setzten.
So bekamen wir eine weitere konkrete Auswirkung der medialen Kampagne erst Monate später zu spüren, als wir einen Finanzierungs-Antrag bei der Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) einreichten, der überraschenderweise (es bestand eine langjährige Zusammenarbeit zwischen der FRB und baba news) abgelehnt wurde. Da die Argumentation sehr fadenscheinig klang, suchten wir das Gespräch mit der FRB-Leiterin Marianne Helfer.
Diese teilte uns am Telefon mit, die FRB stünde unter Druck, sie habe «allein nur letzte Woche zwei E-Mails aus dem Parlament bezüglich baba news erhalten». Sollte es zu einer weiteren Unterstützung kommen «sind wir das nächste halbe Jahr daran, irgendwelche Anfragen zu beantworten». Es mache unter diesen Umständen keinen Sinn, weitere Finanzierungsgesuche bei der FRB einzureichen, Helfer hoffe aber, dass es nicht zu einem «Bruch zwischen baba news und der FRB» kommen würde.
(Wir veröffentlichen diese Information erst, nachdem sie bereits öffentlich geworden ist. Als antirassistisches Medium sahen wir uns in der Pflicht, den Druck, dem die FRB bereits ausgesetzt ist, nicht zusätzlich zu erhöhen. Gleichzeitig sehen wir es, je länger der Genozid in Gaza andauert, als unsere journalistische Pflicht an, hier transparent zu sein und Zusammenhänge behing the scenes aufzuzeigen).
Unsere Redaktion hat daraufhin im Juli 2024 einen Content-Stop ausgerufen, um sich neu zu orientieren und weitere Finanzierungsstrategien zu erarbeiten. Die Nachricht des Content-Stops löste eine Support-Welle innerhalb unserer Community aus, so dass wir unsere Arbeit Mitte September 2024 wiederaufnahmen. Der Support der Community (via Member-Beiträge) hat uns geholfen, Ausfälle durch Institutions-Finanzierung zu überbrücken. Um uns längerfristig finanzieren zu können, sind wir allerdings auf der Suche nach starken Partner*innen, die unsere Werte teilen und unabhängigen Journalismus als fundamental für die Wahrung von Menschenrechten und Demokratie erachten.